Durch einen Samenraub kam der Ginkgo Biloba aus Asien zurück nach Europa. Um den Baum ranken sich viele Geschichten, Mythen und Märchen. Wissenschaftlern gibt er noch immer Rätsel auf, er inspirierte Dichter und Schmuckgestalter und fasziniert Baumfreunde. Die Chinesen schätzen ihn seit Jahrhunderten als Nahrungs- und Heilmittel, hierzulande wird der Ginkgobaum etwa seit 1960 als Heilpflanze genutzt.
Ein lebendes Fossil
Wussten Sie, dass der Ginkgo Biloba weder Nadelbaum noch Laubbaum ist, sondern ein Ginkgobaum, und zwar der letzte Überlebende der artenreichen Familie Gingkoaceae. Er und seine Verwandten besiedelten im Jura, zur Zeit der Dinosaurier, den ganzen Planeten. Offenbar hatte seine Art schon damals so hervorragende Überlebensstrategien entwickelt, dass die Evolution bis heute kaum eingreifen musste. So gehört er zu den „anormalen“ Lebensformen, die Charles Darwin als lebende Fossile bezeichnete. Womöglich verursachte ein Klimawandel das Aussterben seiner Artgenossen, die Ursachen sind noch nicht endgültig geklärt. Jedenfalls verschwanden die Ginkgoales fast vollständig von der Erdoberfläche, nur der Ginkgo Biloba fand in Ostchina ein Refugium, wo er Millionen Jahre überdauerte.
Wie kam der Ginkgosamen nach Europa?
Von dort aus breitete sich der „Jurassic Tree“ nach und nach in China aus, beziehungsweise wurde von den Chinesen kultiviert und auffällig oft in der Nähe von Tempeln angepflanzt. Daher kommt die Bezeichnung Tempelbaum. In dem chinesischen „Handbuch für Barfußmedizin“ soll schon rund 2800 Jahre vor Christus die Heilwirkung des Ginkgos beschrieben worden sein. Seit der Sung-Dynastie (11. Jahrhundert) kommen Ginkgobäume, Blätter und Samen in der chinesischen Literatur und als Zeichnungen vor (Quelle).
Wie genau der Tempelbaum über Korea nach Japan gelangte, ist nicht belegt, vielleicht nahmen ihn Kaufleute, Krieger oder buddhistische Mönche mit. Jedenfalls bevölkerte er unter dem Namen Gin kyō (Silberaprikose) die japanischen Inseln. Dort entdeckte ihn 1691 der Arzt Engelbert Kaempfers, der Medizin, Arzneikunde und Botanik studiert hatte. Ob er absichtlich oder versehentlich das y in ein g verwandelte und so den Namen Ginkgo schuf? Experten meinen, es war ein banaler Schreibfehler. Später prägte der Botaniker Carl von Linné den wissenschaftlichen Namen Ginkgo Biloba, wobei der zweite Namensteil den zweilappigen Blättern geschuldet ist.
Einige Quellen sagen, der Arzt habe Ginkgosamen aus Japan mitgenommen, was damals strengstens verboten gewesen sei. Anderen Quellenangaben zufolge waren die Samenräuber niederländische Seefahrer oder Kaufleute. Da Engelbert Kaempfers in den Diensten der Niederländer stand und sicher auf deren Schiffen reiste, könnte beides zutreffen. Allerdings kam Kaempfers erst 1792 aus Japan zurück und der erste Ginkgobaum wurde deutlich früher in Utrecht gepflanzt, um 1730 oder 1767. Außerdem soll in dem belgischen Ort belgischen Ortschaft Geetbets ebenfalls in diesem Zeitraum ein Ginkgo gepflanzt worden sein, dessen Samen Missionare aus Asien mitbrachten. Wie auch immer, heute wächst der Überlebenskünstler in botanischen Gärten, an Straßenrändern, Parks und auf Plantagen in vielen Teilen der Welt. Falls Sie ein paar besonders dicke, alte und hohe Ginkgobäume anschauen möchten, hilft diese Liste weiter.
Der Ginkgobaum in der chinesischen und westlichen Medizin
In der chinesischen Volksmedizin und in der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) kommt der Ginkgo gegen viele Leiden und Beschwerden zum Einsatz. Dazu gehören Husten, Kreislaufstörungen, Hautkrankheiten und Konzentrationsschwäche. Inzwischen hat auch die westliche Schulmedizin die Heilkräfte bestimmter Inhaltsstoffe des Ginkgobaumes erkannt und ihn als Arzneipflanze entdeckt. Die WHO-Monographien zu ausgewählten Heilpflanzen bieten einen guten Überblick über medizinische und pharmazeutische Aspekte rund um den Ginkgo Biloba. Das Dokument gibt unter anderem Auskunft über die Wirkstoffe und deren Einsatzgebiete und listet wissenschaftliche Studien dazu auf. Während in der chinesischen Heilkunst auch Kern und Rinde verwendet werden, sind in der westlichen Medizin nur die Ginkgoblätter als Rohstoff für Arzneimittel relevant.
Diese Blätter namens Ginkgo folium enthalten die einzigartigen Substanzen Ginkgolide und Bilobalid, dazu kommen unter anderem Flavonoide wie Kämpferol und Querecetin und Ginkgolsäuren. Vermutlich beruht die heilsame Ginkgo-Wirkung auf dem Zusammenspiel aller Inhaltsstoffe. Wobei die Ginkgolsäure oft für Magen- und Darmbeschwerden verantwortlich gemacht wird.
Ginkgo – Wirkung gegen Vergesslichkeit
Haben Sie schon von dem „Baum gegen das Vergessen“ gehört? Damit ist der Ginkgo Biloba gemeint, weil Inhaltsstoffe seiner Blätter förderlich für das gute Gedächtnis sind. Tatsächlich sind Ginkgoblattarzneien zur Linderung sogenannter hirnorganischer Störungen zugelassen. Konkret stellte der HPCM (Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel) fest, dass solche Mittel bei altersmäßig bedingter kognitiver Beeinträchtigung und leichter Demenz positiv auf die Gedächtnisleistung wirken. Dabei ist der genaue Wirkmechanismus noch nicht völlig erforscht. Vermutlich regulieren die Ginkgoblätter die Durchblutung des Gehirns oder neutralisieren sogenannte freie Radikale und schützen so die Gehirnzellen (Quelle).
Ginkgopräparate und Durchblutungsstörungen
Der anerkannte Therapiebereich für die Ginkgoarznei betrifft Durchblutungsstörungen (Quelle). Daraus resultierten weitere Anwendungsgebiete, sofern die Beschwerden durch einen gestörten Blutfluss ausgelöst werden:
- Schwere Beine
- Gefühl kalter Hände und Füße
- Tinnitus
- Schwindel
Darüber hinaus weisen klinische Studien auf weitere Anwendungsmöglichkeiten für Ginkgoextrakte hin:
- Bessere Durchblutung bei funktionellen Herzbeschwerden wie Herzangst
- Verbesserung der Lern- und Konzentrationsfähigkeit
- Bei gesunden Menschen zur Leistungsstärkung bei Arbeiten am Bildschirm
- Kopfschmerzen und Migräne
Diese Aussagen beziehen sich ausschließlich auf Trockenextrakte aus Ginkgoblättern, die für Fertigarzneien verwendet werden. Sie treffen also nicht auf Ginkgo Tee und Blattpulver zu. Als pharmalogisch wirksame Produkte fallen solche Ginkgo-Präparate unter das Arzneimittelgesetz. Obwohl es in der Regel keine rezeptpflichtigen Medikamente sind, übernehmen die Krankenkassen bei ärztlicher Verordnung die Kosten dafür. Viele Mittel aus Ginkgoblatt-Extrakten sind zwar apothekenpflichtig aber frei verkäuflich. Andererseits gibt es auch Präparate, die außerhalb von Apotheken verkauft und teilweise als Nahrungsergänzungsmittel vermarktet werden. Die übliche Darreichungsformen der pharmazeutischen Extrakte erfolgt als Ginkgo Tabletten und als Ginkgo Kapseln.
Was Sie noch zu Ginkgo Präparaten wissen sollten
Mögliche Nebenwirkungen von Ginkgo-Produkten
Achtung: Falls Sie Blutverdünner einnehmen, sprechen Sie unbedingt mit Ihrem Arzt, bevor Sie ein Präparat mit Ginkgoblattextrakt anwenden. Denn die Ginkgo-Wirkung kann den blutverdünnenden Effekt verstärken. Deshalb ist auch vor Operationen oder bei Blutgerinnungsstörung Vorsicht geboten.
Wie andere Arzneipflanzen kann auch Ginkgo Nebenwirkungen verursachen. Vereinzelt kommen allergische Hautreaktionen, Kopfschmerz aber auch Blutungen in Nase und Darm vor. Genaue Angaben finden Sie auf den jeweiligen Beipackzetteln oder auf der Verpackung.
Nahrungsergänzungsmittel
Bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Ginkgo ist die medizinische Wirksamkeit nicht belegt. Für die Verbraucherzentrale ist der darin enthaltene Ginkgoextrakt oft nur eine „werbewirksame Zutat“. https://www.verbraucherzentrale.de/wissen/lebensmittel/nahrungsergaenzungsmittel/ginkgo-ist-nicht-gleich-ginkgo-6618
Ginkgo: Anwendung bei Kindern
Für die Wirkung von Ginkgo auf Kinder, Schwangere und Stillende liegen keine ausreichenden Daten vor. Deshalb sollten diese Personen vorsorglich keine Ginkgopräparate einnehmen, darauf wird auf vielen Verpackungen hingewiesen.
Ginkgo Tee und Pulver
Bei der Herstellung des Ginkgo Trockenextraktes für Kapseln und Tabletten wird die Gingolsäure weitgehend herausgefiltert. In frischen Blättern aber auch in Pulver aus getrockneten Ginkgoblättern ist diese gesundheitlich bedenkliche Substanz jedoch oft enthalten. Das deutsche Arzneibuch begrenzt die zulässige Menge an Ginkgolsäure auf fünf ppm, was einer maximalen Einnahmemenge von 1,2 Mikrogramm pro Tag entspricht. In untersuchten Teemischungen wurde dieser Grenzwert um das hundertfache oder noch mehr überschritten. Laut Rüdiger Hillmann von der Giftinformationszentrale Hessen-Rheinland-Pfalz, können Ginkgolsäuren Allergien und schwere Magenschleimhautentzündungen verursachen.
Mehr über den Ginkgobaum
Für den Ginkgobaum existieren neben seinem amtlichen, viele Namen. Zum Beispiel Mädchenhaarbaum, Elefantenohrbaum, Wunderbaum, Japanischer Nussbaum, Groß-Vater-Enkelbaum, Silberaprikose, Tempelbaum. Sogar Goethebaum wird er genannt, es heißt der Dichter war fasziniert von dem Baum. Auf jeden Fall inspirierten die Blätter Goethe zu einem Gedicht und der Frage:
Ist es Ein lebendig Wesen
Das sich in sich selbst getrennt?
Sind es Zwei, die sich erlesen
Dass man sie als Eines kennt?“
In diesem Sinn dient das fächerförmige, zweilappige Blatt oft als Vorbild für zauberhafte Schmuckstücke.
Übrigens: Ginkgobäume sind gut gegen die Luftverschmutzung. Immerhin bindet ein Baum durchschnittlich ca. 182 kg CO₂ pro Jahr, auf seine gesamte Lebensdauer bezogen. Wir sollten also noch mehr Ginkgos pflanzen. In vielen großen Städten wird der Ginkgo Biloba bereits als Straßenbaum angepflanzt. Er ist relativ anspruchslos und widerstandsfähig gegen Krankheiten, Pilze, und Feuer.
Hätten Sie gedacht, dass es weibliche und männliche Ginkgos gibt? Wenn männliche Samen Frau Ginkgo erreichen, werden sie zunächst in Samenanlagen eingelagert und der weibliche Baum bildet Eizellen aus. Später, wenn die ausgereiften Samen herunterfallen, fangen sie an zu stinken. Der penetrante Geruch nach Buttersäure oder Erbrochenem sorgte schon mancher Orts für ein öffentliches Ärgernis.
Aus den Werken des Dichter Ou-Yang Xiu geht hervor, wie wertvoll Ginkgonüsse einst in China waren. Sie dienten als Abgaben, wurden als Süßigkeit, als Gemüse oder als Suppeneinlage gegessen. Noch heute werden gegrillte Ginkgonüsse gern zum Shake gereicht.
Bei vielen Menschen gilt der Ginkgobaum als Symbol der Hoffnung. Immerhin hat er die Dinosaurier überlebt und viele Epochen der Erdgeschichte überstanden. Ginkgobäume sollen sogar die Explosionen der Atombomben in Japan überstanden haben und im darauffolgenden Frühjahr neue Knospen ausgetrieben haben.
Möchten Sie noch mehr über den Ginkgo Biloba erfahren und sehen? Dann empfiehlt sich ein Besuch des Ginkgo-Museums in Weimar.
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