Viren sind winzig kleine – ja was eigentlich? Lebewesen sind es nicht, sagen Wissenschaftler, aber sie kommen dem Leben nahe. Echte Parasiten sind es auch nicht, aber sie brauchen ein Wirt, um sich zu vermehren. Manche machen schwer krank, mit anderen wird das Immunsystem leicht fertig und wieder andere sind für Menschen harmlos. Einige Arten lassen sich sogar nutzen. Nennen wir sie Partikel, die fest zum Ökosystem Erde gehören.
Jedes Virus braucht dringend seinen Wirt
Grippeviren, Herpesviren, Noroviren, SARS, die Liste der Viren ist unendlich. Es heißt, für jeden Organismus gibt es mindestens einen Virus. Egal ob verschnupft oder kerngesund, die Aussage „Ich habe mir einen Virus eingefangen“ stimmt immer. Denn die elektronenmikroskopisch kleinen Keime sind ständig um uns und in uns. Außerhalb von Zellen heißen diese Partikel Vironen und können gar nichts. Nur auf der Lauer liegen, bis sie in eine Zelle eindringen können und sich dort vermehren lassen. Dass die Wirtszelle dabei Schaden nimmt, ist keine böse Absicht, nur ein Kollateralschaden.
Wenn es um Krankheitserreger und Mikroorganismen geht, tauchen die Begriffe Bakterien und Viren häufig zusammen auf. Tatsächlich sind es zwei völlig unterschiedliche Spielarten der Natur. Denn Bakterien sind Zellen und damit selbstständige Organismen, bei Viren handelt es sich lediglich um organische Partikel mit genetischen Informationen. Es sind einfach aufgebaute Partikel aus Nukleinsäure, und zwar Ribonukleinsäure (RNA) oder Desoxyribonukleinsäure (DNA), umhüllt von einem Proteinmantel. Ein typisches Beispiel für den Aufbau von Viren zeigt die folgende Grafik.
In der Nukleinsäure ist die Erbinformation (RNA oder DNA) versteckt, das Protein identifiziert die geeignete Wirtszelle und heftet sich an deren Oberfläche. Je nach Virenart dringt nur das Erbgut in das Zellinnere oder der Partikel verschmilzt sich mit der Zellmembran. Nun lässt sich der Virus von der Wirtszelle vermehren, neue Viren werden freigesetzt und können weitere Zellen infizieren. Den Ablauf einer Viren-Vermehrung veranschaulicht eine weitere Grafik.
Antivirus-Maßnahmen: Starkes Immunsystem, Virostatika und Impfungen
Virenwirte sind wir alle, ja auch Sie. Zum Glück sind Sie den ungebetenen Gästen nicht hilflos ausgeliefert, es gibt ja das Immunsystem mit einer Armee von weißen Blutkörperchen (Leukozyten). Dazu gehören B- und T-Lymphozyten und Makrophagen, die die unsichtbaren Angreifer noch außerhalb der begehrten Wirtszelle vernichten oder in bereits befallenen Zellen unschädlich machen sollen. Mal gewinnt die Abwehr und mal siegt das Virus. Bestenfalls merkt der Mensch von diesem Kampf gar nichts, schlimmstenfalls nimmt eine tödliche Krankheit ihren Lauf.
Virushemmende Mittel und Impfstoffe
Ein intaktes starkes Immunsystem kann also Virenattacken abwehren. Lange Zeit war es dabei auf sich alleingestellt, denn es gab keine Medizin gegen Virusinfektionen, lediglich die Symptome waren behandelbar. Inzwischen sind zumindest für einige Erreger virushemmende Substanzen verfügbar, die als Virostatika zusammengefasst werden. Außerdem sind mittlerweile Impfstoffe (Vagizine) vorhanden die einen vorbeugenden Schutz vor bestimmten Viren bilden. Denken Sie beispielsweise an die „Grippeimpfung“ gegen Influenzaviren, an die Zeckenschutzimpfung gegen FSME und Schutzimpfungen vor Pocken, Masern und Kinderlähmung.
Ist die Virusinfektion überstanden, bleiben Antikörper im Organismus zurück, die bei einem erneuten Befall dieses Virus sofort bekämpfen können. Deshalb sind Betroffene für eine gewisse Zeit oder gar lebenslang gegen den Erreger immun. Dieser Effekt tritt auch durch eine Schutzimpfung ein.
Allerdings können sich viele Viren minimal verändern, sodass sie vom Abwehrsystem und den Antikörpern nicht mehr erkannt werden. In dieser Hinsicht erweist sich das Influenzavirus als wahrer Verwandlungskünstler, das jedes Jahr in neuer Gestalt „angreift“. Dementsprechend muss jährlich ein neuer Grippeschutz-Impfstoff her.
Spanische Grippe – eine Virus-Pandemie
So unsagbar winzige, einfach gebaute Viren können verheerende Schäden anrichten. Eines der schlimmsten Beispiele ist jenes Influenza-Virus, das 1918/19 mit der sogenannten Spanischen Grippe eine Pandemie auslöste. Sie forderte weltweit mehr Todesopfer als der 1. Weltkrieg; je nach Quelle starben damals zwischen 20 und 100 Millionen Menschen durch die Virusinfektion. Eine Grippeschutzimpfung gab es ja noch nicht.
Gegen viele Erreger existieren bereits Impfstoffe, die den Ausbruch der Krankheit verhindern oder den Krankheitsverlauf schwächen sollen. Durch die Impfung großer Personengruppen setzt dabei ein sogenannter Herdenschutz ein, der auch geschwächte Mitglieder schützt, die nicht geimpft werden können. Trotzdem wird das Thema Impfen immer wieder kontrovers diskutiert. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt Schutzimpfungen vor Virusinfektionen und setzt sich mit Argumenten von Impfgegnern auseinander.
Wie gefährlich sind Viren für die Menschheit?
In der spannenden Filmreihe „Das Imperium der Viren“ des Bildungsprogramms der ARD erhalten Sie faszinierende Einblicke in die Welt der Viren und die Verbreitung des SARS-Virus im Jahr 2003.
Diese kurzen Filme verdeutlichen, welche Gefahr von bestimmten Vironen ausgeht. Der Nobelpreisträger Joshua Lederberg soll darüber gesagt haben: „Viren sind unsere einzigen Rivalen um die Herrschaft auf diesem Planeten“. Offenbar besteht diese Rivalität schon ewig, denn im menschlichen Erbgut haben bisher rund 98.000 endogene Retroviren ihre Spuren hinterlassen. Anhand dieser Sequenzen lassen sich sogar Verwandtschaftsverhältnisse über Generationen zurückverfolgen.
Was sind Retroviren?
Stark vereinfacht erklärt: Endogene Retroviren sind Viren, die ihr RNA-Erbgut in das DNA-Genom der Wirtszelle einschleusen. Tun sie dies in einer Eizelle, wird die virale DNA von Generation zu Generation der Wirte weiter vererbt. Weiterführende Informationen zu diesem spannenden Thema finden Sie in Publikationen des Helmholtz Zentrums München.
Übrigens: Etwa zehn Prozent des menschlichen Genoms sollen aus endogenen retroviralen Sequenzen bestehen.
Das Virus als Bakterienfresser
Virenarten, die sich auf Bakterien als Wirt spezialisiert haben, werden unter dem Oberbegriff Bakteriophagen zusammengefasst, der sich salopp mit Bakterienfresser übersetzen lässt. Diese Phagen werden nach Wirtsbakterien in verschiedene Gruppen unterteilt. Dazu gehören Coliphagen, die sich in der humanen Darmflora finden und Salmonellaphagen, die sozusagen natürliche Feinde der Krankheitserreger Salmonellen sind.
Mit diesem Beispiel sind wir bei den nützlichen Seiten der Viren angelangt. Denn gerade die Bakteriophagen werden gezielt gegen ihre potenziellen Wirtsbakterien eingesetzt. Dies erfolgt unter anderem in der Medizin, der Agrarwissenschaft, der Biologie und der Lebensmittelindustrie. Ein weiteres Anwendungsgebiet ist die Gentechnologie.
Phagentherapie
Medizinisch ist die Phagentherapie interessant, wobei hierzulande in der Humanmedizin noch kein Verfahren zugelassen ist. Bei dieser Therapie werden entsprechende Bakteriophagen gezielt auf ihre potenziellen Wirte angesetzt, um diese unschädlich zu machen. Vielleicht ist das die Lösung gegen Antibiotikaresistente Keime. Mehrere renommierte Forschungsinstitute arbeiten an dem Projekt Phage4Cure zusammen, um Medikamente aus Bakteriophagen gegen bakterielle Informationen zu entwickeln. Falls Sie mehr über Phagentherapie wissen möchten, empfehlen wir die Infoseite der Leibnitz-Institute.
Weitere Einsatzgebieter für Bakteriophagen
- Biologische Schädlingsbekämpfung in der Landwirtschaft
- Bekämpfung von Listerien und Salmonellen in Lebensmitteln
- Gentechnik: Einschleusen von DNA-Fragmenten in Zellen
- Recyceln von Elektroschrott: Rückgewinnung von seltenen Erden, Gold, Kupfer
- Als „Phagen-Display“ in der Biochemie
- Verschiedene Zwecke in der Tiermedizin
Wie Sie sehen können Viren durchaus nützlich sein. Während die einen Wissenschaftler nach weiteren wohlbringenden Einsatzwecken suchen, basteln andere an biologischen Waffen mit Viren. In diesem Zusammenhang seinen beispielhaft Pockenerreger Variolavirus, das Ebola-Virus und das Hantavirus genannt.
Krankheiten durch Virusinfektionen
Kommen wir zurück, zu den Vironen, die uns im Alltag begegnen und unsere Zellen als Wirte begehren. In der Regel suchen sich die Partikel den Weg des geringsten Widerstandes, um in den Körper einzudringen. Schleimhäute, Atemwege und Wunden sind potenzielle Eintrittspforten. Von Mensch zu Mensch werden sie oft durch Tröpfcheninfektionen oder direkten Hautkontakt übertragen. Bei manchen Virenarten erfolgt die Übertragung durch den Austausch von Körperflüssigkeiten beziehungsweise Kontakt über Blut und Schleimhaut.
Darüber hinaus sind häufig Tiere die Überträger, denken Sie nur an Zecken, Mücken, Mäuse oder mit Tollwut infizierte Füchse. Je nach Partikel und Übertragungsart können Sie das Ansteckungsrisiko durch Hygienemaßnahmen verringern oder gar ausschließen. Doch, manchmal hilft alles nichts, der Mensch steckt sich an. Besonders wenn eine Erkältungswelle durchs Land rollt oder ein Darmvirus unterwegs ist.
Viren und Erkältung
Übrigens, eine Erkältung kommt nicht von Kälte, sondern durch Grippeviren wie Rhinoviren oder Parainfluenzaviren. Gegenwärtig sind etwa 200 Virenarten bekannt, die einen grippalen Infekt auslösen. Wenn Sie gerade gegen einen Erreger immun sind, befällt Sie der Nächste oder eine mutierte Variante. Kein Wunder, dass Kinder und Erwachsene mehrmals jährlich „erkältet“ sind.
Vermutlich häufen sich diese Infekte in der kalten, dunklen Jahreszeit, weil Schleimhäute und Immunsystem geschwächt sind, beispielsweise durch trockene Heizungsluft oder längeres Frieren. Bevor die körpereigene Abwehr den Infekt besiegt hat, konnten sich die Erkältungsviren tausendfach vermehren lassen. Niesend, schniefend und hustend verteilen Betroffene die neuen Vironen in der Luft, auf Türklinken, Tastaturen und…
Weitere Beispiele für Viruserkrankungen
Der grippale Infekt gehört zu den häufigsten Krankheiten, die durch Viren ausgelöst werden. Sicher fallen Ihnen auf Anhieb mehrere andere Viruserkrankungen ein. Vielleicht tragen Sie ja Herpesviren in sich, die lange schlummern und bei Stress unangenehme Bläschen auf der Haut wachsen lassen. Viele Erwachsene, aber auch Kinder haben schon einmal heftige Magen-Darm-Beschwerden durchlitten, die durch Noroviren oder Rotaviren verursacht wurden. Infektiöse Partikel sind auch für Kinderkrankheiten wie Masern, Windpocken und Mumps verantwortlich. Diese Aufzählung ließe sich lange fortführen. Wie schon geschrieben: Vironen sind überall! Seien Sie abwehrbereit und werden Sie so immun wie möglich.
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