Obwohl mehr als zwei Drittel aller Deutschen ab 16 Jahren eine Sehschwäche besitzen – Tendenz seit Jahrzehnten steigend – tragen laut der aktuellen Studie des Zentralverbandes der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) aus dem Jahr 2019 nur 5,5% der Betroffenen Kontaktlinsen – der überwiegende Hauptteil verlässt sich weiterhin auf den Klassiker, die Brille. Und das, obwohl die Linsen seit ungefähr 100 Jahren auf dem Markt zu finden sind und sich mit den Jahren immer weiterentwickelt und verbessert haben. Noch immer gibt es zahlreiche Mythen und Vorurteil um die Sehhilfe – und die häufigste Frage: sind die Linsen auf Dauer schädlich für die Augen?
Gibt es anatomische Befürchtungen beim Tragen?
Vor allem für diejenigen, die das Tragen mit Argwohn betrachten oder Neulinge auf dem Gebiet der Kontaktlinsen sind, sträuben sich häufig vor der Idee, einen Fremdkörper direkt auf die Hornhaut – die durchsichtige Hautschicht, die unsere Linse und Iris beschützt – aufzulegen. Verständlich, wenn manchmal selbst eine Wimper uns für mehrere Minuten aus dem Konzept bringen kann. Und tatsächlich muss man sich auch erst über einen kleineren Zeitraum an das Tragen gewöhnen, bevor es sich natürlich, nicht mehr wie ein Fremdkörper anfühlt. Weiche Linsen sind da wesentlich freundlicher und brauchen nur kurze Zeit der Eingewöhnung, da sie sich problemlos an das Auge anpassen. Harte und somit etwas unflexiblere Linsen benötigen allerdings doch einiges an Zeit.
Gesundheitlich gibt es hier allerdings nichts zu befürchten. Die Kontaktlinsen selbst sind so entworfen, dass sie sich problemlos an die Hornhaut anschmiegen – und unser Sehorgan wiederum ist so konzipiert, dass die Linsen nicht hinter den Augapfel rutschen können. Das ist rein anatomisch nämlich gar nicht machbar, da unsere Bindehaut einen natürlichen Abschluss findet und tatsächlich als überlappende Schutzhaut, anstelle einer Öffnung fungiert. Selbst wenn die Kontaktlinsen also verrutschen sollten, gibt es keinen Grund zur Sorge; sie ist schlichtweg hinter das Oberlid gerutscht und wird dort verharren, bis sie hervorgezogen wird. In selteneren Fällen kann sie sogar unter das Unterlid rutschen. Mit zuvor gereinigten Händen (wichtig!) und etwas Übung und Überwindung des Blinzelreflexes ist aber auch hier die Linse schnell wieder aus dem Auge.
Was für Risiken hat das Kontaktlinsentragen?
Kontaktlinsen gelten, anders als Brillen, da sie mit unseren Augen in direktem Kontakt sind, als medizinische Produkte und unterliegen so strengen Qualitätsauflagen und -merkmalen. Werden die korrekte Routine, Aufbewahrung, Reinigung und Tragedauer eingehalten, gibt es nichts zu befürchten. Durch speziell designte Reinigungsprodukte wird das Verbreiten oder Einnisten von Bakterien und Fremdkörpern unterbunden und die angegebene maximale Tragedauer gewährleistet genügend Sauerstoffzufuhr für das Auge.
Die Gefahr bei Kontaktlinsen besteht also nicht in den Linsen selbst – sondern in deren falscher Handhabung. Vor allem die Tragedauer und die korrekte Reinigung sind ausschlaggebend und können bei Missachtung zu Entzündungen und Infektionen führen. Unsere Augen sind eines der empfindlichsten Stellen unseres äußeren Körpers – und im Normalfall sorgt eben jener dafür, dass die notwendige Säuberung, Sauerstoffgehalt und Schutz des Sinnesorgans gewährleistet wird. Intervenieren wir mit äußerlichen Objekten wie einer Kontaktlinse, ist es von oberster Wichtigkeit, dass diese Kette weiterhin eingehalten werden kann – auch mit dem Fremdkörper auf dem Augapfel. Die Gebrauchsanweisungen der Linsen und deren Reinigungsprodukte sind genau so konzipiert, dass sie die natürliche Regeneration und Instandhaltung des Körpers weiterhin aufrechterhalten können. Eine Missachtung genau dieser Anleitung hat, wie bei fast allen medizinischen Produkten, allerdings ihre Nebenwirkungen. Bei Kontaktlinsen können sich diese in Form von Infektionen wie beispielsweise Bindehautentzündungen oder, bei noch länger anhaltender Missachtung, noch drastischeren und chronischeren Schäden äußern.
Mythen wie Erblindung oder irreversible Schäden durch Kontaktlinsen, oder sogar einem weiteren Verlust unserer Sehkraft sind dabei allerdings genau das – Mythen. Um einen solchen Grad der Zerstörung hervorzurufen, müssten die Linsen über einen wesentlich längeren und intensiveren Zeitraum massiv missbraucht werden, sowie „mildere“ Symptome wie Entzündungen oder Infekte vom Kontaktlinsentragenden vollkommen ignoriert werden. Da die meisten von uns sicherlich schon einmal die Erfahrung einer Bindehautentzündung gemacht haben und wissen, wie unangenehm diese sich anfühlt, ist die Wahrscheinlichkeit sie unbehandelt zu lassen also doch recht gering.
Gibt es noch andere, innere Symptome?
Abseits des normalerweise problemfreien Tragekomforts von Kontaktlinsen, die nach einer kurzen Eingewöhnung fast vergessen und unfühlbar sein sollten, können allerdings trotzdem einige unangenehme Nebeneffekte auftreten – die für gewöhnlich auf falsche Kontaktlinsen hinweisen. Neben dem Material (weiche oder harte Linsen) ist nämlich vor allem ihre Form darüber entscheidend, von wem die Linse getragen werden sollte. Sollten allerdings beispielsweise anhaltende Kopfschmerzen auftreten – vor allem bei denen, die ihre Kontaktlinsen schon über einen längeren Zeitraum tragen – wird dringend ein neuer Besuch beim Augenarzt empfohlen. Eine Verschlechterung (oder auch spontane Verbesserung) der Sehkraft könnte der Grund dafür sein, dass die momentan verschriebenen Stärken nicht mehr aktuell sind und zu stark oder schwach sind.
Ab ungefähr Mitte 30 bis 40 beginnt bei den meisten von uns außerdem die Presbyopie – die sogenannte Altersweitsichtigkeit. Wer jetzt bereits Kontaktlinsen (oder auch Brillen) mit nur einer Stärke trägt, fängt sich hier auf Dauer ebenfalls langanhaltende Kopfschmerzen ein, wann auch immer die eigenen Augen versuchen dieses Ungleichgewicht auszugleichen. Genauso wie es allerdings Mehrstärkenbrillen für die Alterssichtigkeit gibt, gibt es ebenfalls Mehrstärkenlinsen – bifokal oder sogar multifokal, ganz individuell auf die eigenen Augen angepasst.
Bei diesen Linsen, ebenso wie es bei Astigmatismus – einer Hornhautverkrümmung – der Fall ist, ist es allerdings von ausschlaggebender Wichtigkeit, dass die Linsen korrekt auf dem Auge aufliegen. Sollten beim Tragen dieser sogenannten torischen Linsen ebenfalls Symptome wie Kopfschmerzen auftreten, liegt die Vermutung nahe, dass sich die Linsen verschoben oder verdreht haben, so dass die auf die Fehlsichtigkeit und Verformungen der Hornhaut zugeschnittenen Wölbungen der Linsen nicht mehr dort befinden, wo sie für klares und scharfes Sehen sorgen. Auch hier kann ein Besuch beim Augenarzt nachhelfen, da die Größe der Linsen eventuell neu angepasst werden muss.
Fazit
Kontaktlinsen sind schon seit einem guten Jahrhundert auf dem Markt und haben sich konsequent weiterentwickelt. Selbst Smart Linsen sind schon in Entwicklung und teilweise in Produktion! Ebenso wie bei anderen medizinischen Produkten ist es stets wichtig, die Packungsbeilage gut durchzulesen und einzuhalten – und solange man sich daranhält, sind die Linsen risikofreie Produkte, bei denen keine Schäden befürchtet werden müssen.
Wer sich beim Augenarzt für eine gute Erstanpassung beraten lässt, findet in Kontaktlinsen eine ideale und angenehme Alternative zur Brille – auch, wenn der erste Schritt sich manchmal ein wenig seltsam anfühlen mag. Aber die anschließende Freiheit, vor allem bei sportlichen Aktivitäten, oder dem Ausbleiben vom lästigen Beschlagen von Brillengläsern an kälteren Tagen, sind unterm Strich die Eingewöhnungsphase definitiv wert.
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