Die helfende Wirkung tödlicher Gifte
Bereits der Schweizer Arzt Paracelsus brachte es im 16. Jahrhundert auf den Punkt: Allein die Dosis mache, dass ein Ding kein Gift sei. Grundsätzlich sind wir im Alltag von Dingen umgeben, die als Gift eine tödliche Wirkung auf unseren Organismus haben könnten. Salz zum Beispiel. Das weiße Gold könnte ab einem Verzehr von etwa einem Gramm pro Kilogramm Körpergewicht zum Tode führen. Der Grund: eine Störung des körpereigenen Wasserhaushalts, die einen Schock, Atemstillstand oder einen Herzstillstand auslösen würde.
Auch wer zu schnell zu viel Wasser zu sich nimmt, bringt sich in Gefahr. Die Fachwelt nennt es eine Wasservergiftung. Was unglaublich klingt, macht sich über Kopfschmerzen, Übelkeit und Schwindelgefühl bemerkbar. Das viele Wasser verteilt sich im Körper auf fatale Weise. Es kann Zellen schädigen, zerstört den Salzhaushalt des Körpers und beeinträchtigt die Organe. Bei Ironman-Rennen kamen auf diese Weise schon Todesfälle vor. Auch bei Trinkwettbewerben endete der Spaß bereits tödlich.
Ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen, ist generell wichtig für den menschlichen Körper. Bei einem Erwachsenen genügen zwei bis drei Liter Wasser – über den Tag verteilt.
Dabei sind Salz und Wasser eigentlich zwei unverzichtbare Stoffe für den Organismus – in der richtigen Dosis. Die zahlreichen wirklichen Gifte der Natur wirken in weitaus geringeren Dosen tödlich. Teilweise sind sie, allerdings besonders stark verdünnt, sogar im medizinischen Einsatz – einige davon auf besonders spektakuläre Art und Weise.
Botox – Nervengift für glatte Haut
Das wohl tödlichste bekannte Gift für den Menschen – Botulinumtoxin – ist ein Ausscheidungsprodukt einer bestimmten Bakterienspezies. Zwar ist es im Nanogramm-Bereich für einen menschlichen Körper tödlich, wird stark verdünnt jedoch erfolgreich in der medizinischen Behandlung von Spastiken oder in der Schönheitschirurgie eingesetzt. Als Botox nutzen es Fachleute zur Faltenbehandlung vor allem im Gesicht. Wer sich für diese Nutzung interessiert, muss unbedingt einen Spezialisten aufsuchen. Eine Eigenbehandlung ist, wie bei anderen toxischen Stoffen, keinesfalls zu empfehlen. Fachärzte für Ästhetische Chirurgie bieten Behandlungen mit Botox in Frankfurt, Berlin, München und vielen anderen deutschen Städten seit Anfang der Neunzigerjahre an.
Arsen – die bekannte Mordwaffe als Medizin
Es ist ein chemisches Element, das auf der Erde überall vorkommt: Als Bestandteil vieler Stoffe gelangt Arsen über Lebensmittel, Hautkontakt und die Atmung in den Körper. Im Grunde kein Problem, denn geringe Mengen scheiden unsere Nieren einfach wieder aus. Erst ab 60 bis 170 Milligramm – je nach Befinden – kann es einen Menschen töten. Seine zugleich heilsame Wirkung unterstützt seit vielen Jahrhunderten die Medizin. Im tropischen Afrika half es bei der Bekämpfung der Schlafkrankheit seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Als Bestandteil eines Medikaments in der Leukämiebehandlung trug Arsen in den letzten 20 Jahren ebenfalls dazu bei, die Gesundheit der Menschen zu fördern.
Kohlenstoffmonoxid – das tödliche Gas kann entzündungshemmend wirken
Es ist unsichtbar und geruchslos. Natürlicherweise kommt es in der Erdatmosphäre vor und entsteht, wenn kohlenstoffhaltige Stoffe wie Öl, Holz oder Kohle verbrennen. Das Gas Kohlenstoffmonoxid (CO) ist schnell tödlich, wenn zeitgleich die Sauerstoffzufuhr in der Umgebung zu gering ist. Atmen Menschen es in zu hoher Konzentration ein, kann ihr Blut den lebenswichtigen Sauerstoff nicht mehr richtig transportieren. In der Folge ersticken die Betroffenen.
Doch wie die Wissenschaft herausfand, entfaltet Kohlenstoffmonoxid im menschlichen Körper auch andere Wirkungen: So besitzt es entzündungshemmende Eigenschaften und verbessert die Durchblutung von Organen, wenn es in entsprechend geringen Dosen vorliegt. Forschern der Universität in Köln gelang vor einigen Jahren die Entwicklung von Molekülen, die CO innerhalb des menschlichen Körpers gezielt freisetzen können. Durch sie sind Fortschritte in der Krebstherapie oder bei Organtransplantationen denkbar.
Die Beeren der Schwarzen Tollkirsche wirken verlockend, doch essen sollte sie niemand. Bei einem Erwachsenen könnte der Verzehr von zehn bis zwölf Beeren unbehandelt zum Tod führen, bei Kindern genügen bereits drei bis vier Beeren.
Tollkirsche – die giftige Belladonna
Auch die Tollkirsche ist als Gift- und Heilpflanze gleichermaßen bekannt. Auf mehrere Arten nutzen Menschen die Inhaltsstoffe des Nachtschattengewächses. In der Medizin kommt das enthaltene Atropin zum Einsatz, wenn etwa während eines Notfalls das Herz in einer zu niedrigen Frequenz schlägt. Es sorgt dann schnell für eine Erhöhung der Herzfrequenz. In der Augenheilkunde dient Atropin als Mittel zur Erweiterung der Pupillen, wenn das zu Therapiezwecken notwendig sein sollte. Der bekannteste Einsatzbereich der Tollkirsche dürfte aber in der Homöopathie liegen. Extrem stark verdünnt sind Bestandteile der Heilpflanze im Mittel Belladonna zu finden. Es soll helfen gegen Fieber, krampfartige Magen-Darm-Beschwerden oder Entzündungen. Wie bei allem gilt auch hier: Vor einer Selbstbehandlung ist es besser, einen Experten um Rat zu fragen.
Selen – umstrittenes Spurenelement
Selen galt lange Zeit als toxisch und kann in reiner Form auch bei Hautkontakt zu Irritationen führen. Es ist jedoch für alle Gewebe des Körpers wichtig. So scheint Selenmangel zum Beispiel bei der Keshan-Krankheit, einer Erkrankung des Herzmuskels, eine Rolle zu spielen. Bei Überdosierung wirkt das Spurenelement nicht unbedingt tödlich, verursacht aber Störungen des Nervensystems. Eine Selenvergiftung kann bei Einnahme von über 900 Mikrogramm pro Tag eintreten. Geringer dosiert ist Selen in Nahrungsergänzungsmitteln als Unterstützung für Haare, Haut und Nägel erhältlich.
Diese Giftquellen können ebenfalls helfen
Es gibt eine ganze Reihe von giftigen Pflanzen, deren Wirkstoffe in der richtigen Dosierung dem Menschen dienen. Auch Tiergifte macht sich die Menschheit zunutze. Die Forschung studiert hauptsächlich deren Wirkungsweise, um sie auf die Behandlung von Krankheiten zu übertragen. Diese beiden Giftquellen haben ebenfalls durchaus nützlichen Eigenschaften:
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Bilsenkraut: Ähnlich wie die Tollkirsche enthält das Kraut die giftigen Stoffe (S)-Hyoscyamin und Scopolamin, die bei Einnahme tödlich wirken können. Es enthält allerdings auch Grünöl, das sich in Salben bei der Pflege von Narben förderlich zeigt.
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Wunderbaum: Zur „Giftpflanze des Jahres 2018“ hat es der Wunderbaum gebracht. Seine Samen enthalten stark giftiges Rizin, das im Körper Zellen absterben lässt und sogar als Kriegswaffe gelistet ist. Für Kinder kann schon ein halbes Samenkorn tödlich sein. Aus gleicher Quelle stammt jedoch das leicht gelbliche Rizinusöl. Es wird aus den Samen gepresst, wobei das giftige Rizin im Laufe des Herstellungsprozesses nicht ins Öl übergeht. Als natürliches Heilmittel ist Rizinusöl vielfach verwendbar.
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